TANZEN MIT SERA

Ich habe einen fast 90-jährigen Freund, der mit einer großen Pudel-Dame zusammenlebt. Sie heißt Sera. Kürzlich sagte er mir, dass er aufgehört habe Geige zu spielen. “Die hohen Töne sind zu hoch”, sagte er, “Sera liebt das nicht. Ich spiele jetzt nur noch die Bratsche, das ist tiefer, das mag sie.“

Das schwere Gefühl, das sich in mir breit machte, war völlig unerwartet. Der logische Teil meines Bewusstseins verstand, dass es eine gute Idee war. Ich mag Sera. Sie ist der einzige Hund, mit dem ich wirklich etwas anzufangen weiß. Stundenlang kann ich in der kleinen Wohnung sitzen und Sera hinter den Ohren kraulen. Ich mag Geigenmusik und weil es in der kleinen, altmodischen Wohnung keinen Fernseher gibt und niemandem von uns die Musik im Radio gefällt, hatte mein Freund uns bisher oft etwas auf seiner Geige vorgespielt. Klassik, aber auch moderne Stücke. 

So konnten Stunden vergehen, mit ihm an der Geige und mir in seinem viel zu großen Sessel, mit Sera auf dem Schoß. Manchmal lauschte ich andächtig, aber manchmal, wenn es eine fröhliche Melodie war, sprang Sera von meinem Schoß und hüpfte herum. Als sie das zum ersten Mal tat, war ich kurz verwirrt, bis er sagte: „Mach ruhig mit.“ Da war mir klar geworden, dass das Seras Art zu tanzen war. Also war es zu einem Ritual geworden. Er spielte gelegentlich ein besonders fröhliches Stück und Sera und ich tanzten dazu. Nie lang, denn die Wohnung war klein und ich eine denkbar schlechte Tänzerin, aber manchmal war das alles, was half, um gegen den Alltag anzukämpfen.

Was öfter vorkam, war, dass wir zusammen Musik machten. Keines der Instrumente, die ich spielte, passte gut zur Geige, aber ich liebte es, immer mit ihm zu singen. Es hatte angefangen, als ich eine der Melodien, die er auf der Geige gespielt hatte, mitsummte. Daraufhin fragte er mich gelegentlich, ob mir ein Lied einfiel, zu dem er die Begleitung lernen sollte.

All diese Rituale und Erinnerungen würden bleiben. Bratschen waren Geigen so ähnlich, dass die meisten Menschen sie nicht auseinander zu halten wussten. Dennoch löste der Gedanke, dass ich die Geige nicht mehr hören würde, eine unerklärliche Leere in mir aus. Sera hatte die Geige früher gemocht. Jetzt war sie alt, so wie er, und dass ihr Geigenmusik jetzt zu hoch war, konnte nur bedeuten, dass ihre Ohren empfindlicher wurden. Das besorgte mich. Aber ich verdrängte den Gedanken und lächelte. „Schön“, sagte ich. „Wir brauchen ja auch mal ein wenig Abwechslung.“

Von Janna Möllering aus Hildesheim

Prosanova
Schulprogramm

Das PROSANOVA Schulprogramm konnte in diesem Jahr plötzlich nicht durchgeführt werden, wie wir es vorgesehen hatten – alles war anders und auf einmal gab es die Schulen nicht mehr!

Trotzdem hat sich eine Gruppe motivierter Schreiberinnen zusammengefunden: Über Zoom gab es in Workshops Schreibimpulse, Quarantäne-Beobachtung, Erzählübungen, eine gemeinsame Googledoc-Geschichte (live und in verschiedenen Farben) und einiges mehr. Aus den Texten, die im Rahmen der Workshops entstanden

Alle Beiträge

Widerstand/Reibung - Glätte/Reibungslos

von Judy Köhler aus Hildesheim

GLÄTTE/REIBUNG

von Carolin Graw aus Hildesheim

Gedichte (aus der Zeitung gestrichen)

von Sarah Liebich aus Hildesheim

TANZEN MIT SERA

von Janna Möllering aus Hildesheim

ERINNERUNG

von Philine Bünger aus Hildesheim

Zeitlos

von Philine Bünger aus Hildesheim

Gedichte (aus der Zeitung gestrichen)

von Janna Möllering aus Hildesheim

beobachten & schreiben

von Judy Köhler aus Hildesheim

Am Meer

von Sarah Liebich aus Hildesheim

Nach Osten

von Carolin Graw aus Hildesheim

Fachbereich 2 der Stiftung Universität Hildesheim

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